Wie leben Wohnungskatzen natürlich?

Die Schweizer Katzenpsychologin Rosemarie Schär erklärt, wie Katzenhaltung auch in einer Wohnung artgerecht funktionieren kann. Mit Ihren Tipps könne auch Sie eine katzengerechte Wohnung mit viel Abwechslung für Ihre Samtpfote schaffen.

Katze in reiner Wohnungshaltung
Wie wird die Wohnung zum Katzen-Lebensraum?© stock.adobe.com/olezzo

Viele haben noch immer Bedenken, eine Katze nur in der Wohnung zu halten. Die Schweizer Katzenpsychologin Rosemarie Schär erklärt, worauf bei reiner Wohnungshaltung unbedingt zu achten ist. 

Wie viel Platz braucht eine Katze?

R. Schär: Minimum eine Zweizimmerwohnung. Die Quadratmeterzahl ist weniger wichtig als die Aufteilung in verschiedene Räume, die mehr Abwechslung und Rückzugsmöglichkeiten bieten als ein gleichgroßes Studio.

Soll man der Katze Reviergrenzen setzen?

R. Schär: Es sollte möglichst keine Tabuzonen geben, außer dem Kochherd. Ihr Revier hat schon dadurch Grenzen, dass es eine Wohnung ist. Und es ist auch gut, wenn die Katze ins Schlafzimmer darf und auf dem Bett schlafen darf. Denn das Bett hat aus Sicht der Katze alle Eigenschaften eines optimalen Schlafplatzes: Es ist warm, trocken, hat eine erhöhte Lage und unter der Bettdecke ein Versteck. Und natürlich schätzt sie den Körperkontakt mit dem Sozialpartner.

Der interessanteste Raum wird der Katze leider meistens unzugänglich gemacht: die Rumpelkammer. Die menschliche Unordnung dort entspricht der biologischen Ordnung draußen! So ein kreatives Chaos ist gut für die Katze, denn sie sorgt für Abwechslung. Ordnung ist etwas Statisches, und aus Katzenperspektive ist es nicht toll, wenn alles übersichtlich ist. Für sie ist es auch viel interessanter, wenn das Bett nicht gemacht ist. Wer berufstätig ist, sollte seine getragene Nachtkleidung morgens nicht wegräumen – Katzen lieben die geruchliche Kommunikation, während wir Menschen da ziemlich verbildet sind.

Sind feste Futterzeiten oder flexible natürlicher?

R. Schär: Natürlicher sind flexible Zeiten. Katzen nehmen normalerweise mehrere kleinere Mahlzeiten über den Tag verteilt zu sich. Der Halter sollte darum nicht nach der Uhr, sondern nach seinem eigenen Tagesrhythmus füttern: mindestens drei Mahlzeiten, bis zu fünf am Tag. Die erste Mahlzeit nach dem Aufstehen, wer berufstätig ist, gibt die nächste nach dem Heimkommen. Wichtig ist, dass die letzte, das Betthupferl, die Katze dann bekommt, wann der Mensch ins Bett geht. Das flexible Betthupferl verhindert auch, dass man am Wochenende festgelegt ist. Es kann vorkommen, dass einer Katze die Zeit vom Abendessen um 18 Uhr bis zum Frühstück so lang wird, dass sie deswegen dem Halter in den frühen Morgenstunden eine Pfütze auf die Bettdecke setzt. Auch deshalb das Betthupferl.

Wie wird die Wohnung zum Katzen-Lebensraum?

R. Schär: Öfter mal was Neues ist wichtig. Weil so für Abwechslung gesorgt ist, die Katze flexibel bleibt und mit etwaigen Stresssituationen besser umgehen kann. Viele Möglichkeiten dafür bieten Kartons. Schachteln in allen Größen und Formen – die sind multifunktional. Als Verstecke mit dem Eingang zur Seite, d.h. als Orte ohne Sichtkontakt mit dem Sozialpartner, sollen sie möglichst tief sein und Höhlenform haben. Ein Transportkorb ist nicht ein ideales Versteck, denn er ist durchsichtig und zu wenig tief zum Entspannen. Natürlich sind auch offene Schränke gut geeignet, doch Schachteln sind abwechslungsreicher.

Einmal pro Woche eine neue Schachtel bringt Abwechslung in die Geruchswelt der Wohnungskatze. Das regt sie zum Erkunden an. Natürlich dürfen die Schachteln nicht nach Seife oder anderen starken Gerüchen riechen. Möglichst große dienen den Katzen für Verstecke, kleine sorgen für Aktion, wenn sie sich reinzwängen. Schachteln regen auch zu Jagdaktionen an: Wenn eine Katze eine Schachtel in Fetzen zerrupft, dann verhält sie sich so, als ob sie einen Vogel rupfen würde. Und die entstehende Kartonlandschaft ist ein kreatives Chaos – das nichts kostet.

Als Mobiliar eignet sich ein Kratzbaum, der bis zur Decke reicht, denn er ist nicht nur zum Kratzen gut, sondern vor allem zum Klettern – eine wichtige Aktivität. Höhlen sind weniger wichtig, dafür die Hängematten. Mindestens eine muss es sein, lieber aber zwei. Vor dem Fenster sollte der Kletter-Kratzbaum stehen und Ausblick bieten. Ein Stück Naturholz – aus weichem Holz wie Holunder – auf dem Balkon ist ein gutes Kratzmöbel. Entweder als Stamm aufgestellt oder auf dem Boden liegend, denn Katzen kratzen genauso gern vertikal wie horizontal. Ein Fensterplatz oder Balkon (unbedingt gesichert) spielen eine wichtige Rolle für das Erkundungs- und Jagdverhalten. Zudem liefern sie interessante Geräusche.

Die Welt draußen ist voller Geräusche und Bewegungen. Wie kann man Ersatz schaffen?

R. Schär: Abwechslung in der Geräuschkulisse ist nicht schlecht. Gelegentlich kann man Musik oder ein Band mit Naturgeräuschen vorspielen. Berufstätige können ruhig mal das Radio laufen lassen. Bewegungen: Die Ersatzbeute, Spielzeugmäuse etc., muss sich bewegen bzw. bewegt werden, also muss der Katzenhalter mitspielen und die Beute in Bewegung setzen. Generell möchte ich allerdings festhalten, dass viele Halter zu wenig mit ihren Katzen spielen und dass die Beschäftigungsmöglichkeiten für Katzen so beschränkt sind, dass man Wohnungskatzen zusammen mit einem passenden Artgenossen als Sozialpartner halten sollte! Die können nämlich noch andere Bedürfnisse abdecken als wir Menschen: Geselligkeit, und sie sprechen die Katzensprache.

 

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